Plattformen mit System – Teil 1: Chancen und Positionierung

Plattformen sind der Zugang in die Welt der Ökosysteme. Nicht umsonst basieren acht der zehn wertvollsten Unternehmen auf einem Plattformgeschäftsmodell. Und eben jenes Geschäftsmodell kann – und muss – systematisch entwickelt werden.

Grundprinzipien sind einfach

Die Grundprinzipien der Plattformökonomie erscheinen zunächst einfach: Mittels geeigneter Mechanismen und Regelwerke bringen Plattformen Marktteilnehmer auf neue Art und Weise zusammen und mobilisieren so das zugrundeliegende Ökosystem. Damit steigern sie die Wertschöpfung aller beteiligten Akteure des Ökosystems. Von dieser Wertsteigerung “schneiden” sich Plattformen etwas ab – sei es eine Vermittlungsprovision auf dem Marktplatz, die Gebühren für den Zugang, die Kosten für die Infrastruktur o.ä. Und schließlich steigt mit der Nutzung der Plattform der Wert der Plattform für das Ökosystem. In Summe macht genau dies Plattformen zum erfolgreichsten Geschäftsmodell der Digitalisierung. 

Charakteristika einer erfolgreichen Plattform

Aus diesen wenigen Sätzen leitet sich ab, woran wir eine erfolgreiche Plattform erkennen können:

  • Sie schafft Mehrwert für alle Akteure des Ökosystems, also auf (mindestens) zwei Marktseiten.
  • Sie zieht die Akteure an, weil sie bessere Lösungen  für das Ökosystem anbietet (Pull-Effekt).
  • Sie managt Interaktionen und Transaktionen zwischen den Beteiligten (“Beziehungsmanager”).
  • Sie wird wertvoller für jeden einzelnen Beteiligten, je mehr Akteure dabei sind (Netzwerk-Effekt).

Nehmen Sie sich gerne die Zeit und prüfen Sie bei Ihnen bekannten Plattformansätzen, ob diese Charakteristika erfüllt sind und stellen Sie dem gegenüber, ob diese Plattformen Erfolg haben oder schon von Beginn an nur von Versprechungen und Hoffnungen leben.

Wann haben Plattformen Aussicht auf Erfolg?

Auch wenn die Grundprinzipien einfach erscheinen, so schwierig ist dennoch deren Umsetzung. Eine Studie des MIT sowie der Harvard Business School zeigte anhand von über 250 Fallbeispielen zu US-Plattformen der letzten 20 Jahre: Über 80 % der Plattformen scheitern, und zwar innerhalb einer durchschnittlichen Lebensdauer von ca. 5 Jahren. Ein Grund hierfür – altbekannt aber dennoch aktuell: Der Markt benötigt die Plattform nicht.

Wichtig daher: Plattformen sind immer dann erfolgreich, wenn sie den Markt mit seinen Mechanismen verbessern. Der Volkswirt spricht in diesem Zusammenhang von Friktionen, also Widerständen gegen das Marktgleichgewicht. Wir finden diese Widerstände in vielen Märkten, hervorgerufen z.B. durch Intransparenzen, ungenutzte Ressourcen oder regulatorische Hürden.

Alle erfolgreichen Plattformgeschäftsmodelle basieren genau hierauf:

  • Airbnb vermittelt leerstehende (Ferien-)Immobilien und hebt damit die Auslastung vorhandener Ressourcen.
  • Weltsparen vermittelt Anlagen aus unterschiedlichsten Sprachregionen und sorgt damit für erhebliche Markttransparenz.
  • Die Solarisbank bietet Banking-as-a-Service, nimmt damit die Zugangsbeschränkung Regulatorik aus dem Markt und bietet letztlich jedem (ad-hoc) die Möglichkeit, eine Bank zu gründen.

Plattformen setzen die Regeln des Marktes neu und bringen ihn tatsächlich näher an den volkswirtschaftlich gesprochen “vollkommenen Markt”.

Wie lassen sich die Chancen identifizieren?

Umso wichtiger wird es, systematisch genau die Schwachstellen in Ökosystemen aufzuspüren, die Potenzial für Verbesserungen, sprich für Plattformen bieten. Unser Lieblingsindikator für die Identifizierung von Chancen: “Das geht doch nicht.” “Eine Bank gründen ohne eigene Bafin-Lizenz – das geht doch nicht …” Je größer die Hürden, desto größer das Potenzial.

Für Plattformen gilt daher dasselbe wie für die Entwicklung von Produkten und Services: Erst wenn ich die Kunden- bzw. Marktbedürfnisse erforscht und verstanden habe, kann ich passende Angebote entwickeln.

Erst wenn ich das Ökosystem und seine Schwachstellen erforscht und verstanden habe, kann ich erfolgreiche Plattform-Systeme entwickeln.

Das funktioniert nicht durch bloße Annahmen und nicht durch Strategiezirkel. Es kostet Mühe und Zeit: Welche Rollen handeln im Ökosystem? Unter welchem Druck stehen sie? Welche Assets bringen sie mit? Welche Werte können sie austauschen? Was macht es ihnen bequem, sicher, schnell, kostengünstig etc. diese Werte auszutauschen? Wohin wollen sie sich in Zukunft entwickeln?

Im Grunde durchlaufen wir beim Plattform Design also eine Exploration oder einen Research wie im Design Thinking (sofern man Design Thinking nicht als Brainstorming-Methode missversteht, um in Workshop-Räumen unter sich zu bleiben und dort vermeintlich kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln) – mit einem auf Plattformgeschäftsmodelle angepassten Methoden-Set, um den Markt und seine Akteure zu verstehen und zu analysieren und daraus die passenden Hypothesen abzuleiten und zu überprüfen.

Strategische Optionen in der Plattformökonomie

Plattformen nehmen heute bereits eine dominante Rolle in fast allen Märkten ein und ihr Einfluss wird – gestützt von den technischen Entwicklungen der Digitalisierung – noch weiter wachsen. Das bedeutet jedoch nicht, dass jedes Unternehmen zur Plattform werden muss. Aber es bedeutet: Jedes Unternehmen muss sich mit Plattformstrategien auseinandersetzen. Jedes Unternehmen muss also strategisch entscheiden, welche Rolle es in der Plattformökonomie künftig spielen will.

Folgende strategische Optionen eröffnen sich:

1. Aggregator/Orchestrator (Plattformbetreiber)

Die Königsdisziplin: Sie werden zum Aggregator und Orchestrator eines Marktes – mit all den bereits genannten Herausforderungen. Ihr Hauptinstrument ist die Governance und Ihre Kern-Assets sind Vertrauen der Marktteilnehmer, Ihre Fähigkeiten zum „Matchmaking“ und – das Herzstück – Daten.

2. Long-Tail Produzent (Teilnehmer an einer Plattform)

Sie sind Experte für hochgradig spezialisierte Waren und Dienstleistungen und bieten diese über Plattformen am Markt an. Sie sind bereit dazu, sich konsequent dem Wettbewerb zu stellen und in den direkten Vergleich zu treten, im Bewusstsein, das beste Nischenangebot für eine sehr „spitze“ Zielgruppe liefern zu können. Sie sind schnell, denn nur so schaffen Sie es, sich auf die kontinuierlichen Veränderungen Ihres Marktsegments anzupassen und neue Chancen zu identifizieren. Ihren Ertrag ziehen Sie aus einer hohen Marktdurchdringung bei einem relativ kleinen, spezifischen Marktsegment.

3. Infrastrukturprovider (Plattform-Enabler)

Sie sind der (heimliche) Befähiger für die Aggregatoren des Marktes. Sie bieten essenzielle Leistungen wie Hosting, Payment, Logistikprozesse usw. extrem skalierbar an – und dies zu kontinuierlich sinkenden Kosten. Sie sind quasi die Plattform hinter den Plattformen. Aufgrund der Dominanz von Skaleneffekten haben Sie eine Kultur, die Standardisierung, Kostenkontrolle und Vorhersagbarkeit in den Mittelpunkt stellt, und damit die Fähigkeiten zur Verwaltung von hochvolumigen, routinemäßigen Verarbeitungsprozessen.

In unserer Beratung erarbeiten wir mit Ihnen die optimale Positionierung, die initiale strategische Ausrichtung sowie Entwicklungsperspektiven. Grundlage dafür ist eine (schonungslose) Bestandsaufnahme Ihrer Stärken und Schwächen: Was sind Ihre Kernkompetenzen? Was sind die wesentlichen Ressourcen, die Sie mit einbringen? Welche Kultur ist Grundlage Ihres Erfolgs? Welche Erfahrungen bringen Sie bereits jetzt im Bereich der Plattform-Geschäftsmodelle mit?  Und welche neue Rolle können Sie vor diesem Hintergrund einnehmen?!

Mit jeder der dargestellten Optionen kann ein Unternehmen erfolgreich in der Plattformökonomie sein. Hier gibt es keine Präferenzen, sondern es gilt, die individuell zum jeweiligen Unternehmen passende Stärke konsequent auszuspielen. Die einzige Gefahr liegt in der strategischen Unklarheit. Wer alles machen will und jede Rolle einnehmen möchte, wird nicht nur zu schwach in jeder Richtung sein, sondern sich sogar noch selbst mit seinen unterschiedlichen Strategien blockieren.

Strategische Klarheit in Entscheidung und Umsetzung bringt den Erfolg – was aber auch keine neue Erkenntnis aus der Plattformökonomie ist.

Lesen Sie hier Plattformen mit System – Teil 2: Von der Idee zum validierten Konzept
Lesen Sie hier Plattformen mit System – Teil 3: Business Case und Markteinführung

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